Aktuelle Rechtsprechung: Abmahnung von Wettbewerbern nach Datenschutz-Verstoß?
„Ist die Abmahnung eines Wettbewerbers zulässig, wenn dieser Datenschutz-Vorschriften verletzt hat?“
Diese seit Jahren umstrittene Rechtsfrage ist nach dem Inkrafttreten den Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) am 25. Mai 2018 von besonders aktueller Bedeutung – für Webseiten-Betreiber ebenso wie für alle, die personenbezogene Daten verarbeiten. Zuletzt befassten sich die Landgerichte Bochum und Würzburg mit möglichen rechtlichen Zusammenhängen zwischen Datenschutzrecht und wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen.
Die Rechtsexpertin der Kanzlei Züwerink-Roek beobachtet die aktuelle Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung im Interesse ihrer Mandanten sehr genau.
Rechtsanwältin Züwerink-Roek – zuverlässige Rechtsberatung und engagierte Rechtsvertretung.
Abmahnungs- und Klagerecht nach Verletzung einer Marktverhaltensregel
Für die Zulässigkeit einer Abmahnung ist entscheidend, ob ein Verstoß gegen Datenschutzrecht als unlauteres Handeln im Sinne von § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bewertet werden kann.
§ 3a UWG setzt den Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift voraus,
die zumindest „auch dazu bestimmt ist,
• im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und
• die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.“
Eine Abmahnung (§ 12 Absatz 1 UWG) erfordert also die Verletzung einer Rechtsnorm, die auch als „Marktverhaltensregel“ einzustufen ist.
Eine Beeinträchtigung gemäß § 3a UWG ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die im konkreten Einzelfall verarbeiteten Daten kommerzielle Bedeutung haben.
Rechtsprechung: Abmahnung zulässig nach einem Verstoß gegen die DS-GVO?
Die Rechtsprechung ist sich bislang nicht einig, ob bei einem Verstoß gegen das Datenschutzrecht eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung zulässig ist.
• Befürworter einer Zulässigkeit von Abmahnungen nach einer Datenschutz-Rechtsverletzung vertreten die Auffassung, dass das Datenschutzrecht auch die Regelung von Marktverhalten bezwecke. Ein Wettbewerbsbezug des Datenschutzrechts sei zweifellos gegeben.
• Gegner eines Abmahnungs- und Klagerechts argumentieren, dass das Datenschutzrecht eben gerade nicht auf den Schutz von Marktteilnehmern ziele. Artikel 1 DS-GVO definiere vorrangig den Datenschutz natürlicher Personen als Schutzbereich der EU-Verordnung. Sinn und Zweck des Datenschutzrechts sei allein der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
• Nach einer dritten Meinung muss auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden, um darüber zu entscheiden, ob eine Marktverhaltensregel verletzt werde.
Landgericht Würzburg: Abmahnung nach Datenschutz-Verletzung möglich
Das Landgericht Würzburg bejahte im Rahmen eines Eilverfahrens einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen einen Mitbewerber, der Datenschutzregeln verletzt hatte (Beschluss LG Würzburg vom 13.09.2018, Aktenzeichen 11 O 1741/18)
Ein Rechtsanwalt hatte im vorliegenden Fall eine andere Rechtsanwaltskanzlei zunächst abgemahnt und schließlich vor dem Landgericht auf Unterlassung geklagt.
Auf der Homepage der abgemahnten Kanzlei fehlten die von Artikel 13 DS-GVO geforderten Pflichtangaben. Der Kanzlei wurde der Betrieb einer nicht verschlüsselten Homepage mit einer unzureichenden Datenschutzerklärung untersagt.
Das Landgericht Würzburg lehnte sich an ein früheres Urteil des Oberlandesgerichts Köln an (Urteil OLG Köln vom 13.06.2016, Aktenzeichen 6 U 121/15), das Datenschutzverstöße für abmahnfähig gehalten hatte (ähnlich OLG Hamburg vom 27. Juni 2013, Aktenzeichen 3 U 26/12).
Das OLG Köln stützte seine Entscheidung auf den datenschutzrechtlichen § 13 Telemediengesetz (TMG), der die Pflichten eines Diensteanbieters benennt. § 13 TMG, so damals das OLG Köln, sei eine wettbewerbsrechtlich relevante Marktverhaltensregel. Das Gebot einer Information von Verbrauchern über Datenschutz-Regelungen diene auch dem Konkurrenzschutz.
Streitparteien vor dem OLG Köln waren zwei Steuerberatungsgesellschaften. Die beklagte Gesellschaft hatte ein Online-Kontaktformular ohne separate Datenschutzerklärung online veröffentlicht.)
In den vor einigen Jahren ergangenen Urteilen von Oberlandesgerichten konnten allerdings die neuen Regelungen der erst 2018 in Kraft getretenen DS-GVO noch nicht berücksichtigt werden.
Landgericht Bochum: Abmahnung unzulässig
Das häufig mit wettbewerbsrechtlichen Streitfragen befasste Landgericht Bochum verneint hingegen eine Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts bei Datenschutz-Verletzungen (Urteil LG Bochum, Aktenzeichen I-12 O 85/18).
Streitparteien waren Online-Händler, die Bürobedarf an private Verbraucher verkauften. Der Kläger machte einen Verstoß seines Mitbewerbers gegen Artikel 13 DS-GVO geltend.
Das Landgericht wies die Klage ab, soweit sie auf Vorschriften der DS-GVO gestützt wurde.
• Die Datenschutz-Grundverordnung enthalte genaue und abschließend zu verstehende Regelungen zum anspruchsberechtigten Personenkreis (siehe Artikel 77 bis 84 DS-GVO).
• Aus diesen detaillierten Regelungen sei zu schließen, dass der europäische Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe, Mitbewerbern eines Datenschutz-Verletzers ein Abmahnungs- und Klagerecht einzuräumen.
Fazit: Wortlaut und Intention des europäischen Gesetzgebers
Fraglich ist, ob eine bloße wettbewerbsrechtliche „Nebenwirkung“ einer Datenschutz-Rechtsnorm eine Abmahnungs- und Klageberechtigung von Mitbewerbern begründen kann.
Wenn eine solche Berechtigung über den Wortlaut einer soeben erlassenen Rechtsnorm und die gesetzgeberische Intention hinausgeht, dann erscheint ein gesondertes Abmahnungs- und Klagerecht für Wettbewerber als zu weitgehend.
Nicht zuletzt sprechen einige der sogenannten „Erwägungsgründe“ zur DS-GVO eher gegen ein wettbewerbsrechtliches Abmahnungs- und Klagerecht bei Datenschutz-Verstößen von Mitbewerbern:
• Erwägungsgrund 1 bezieht sich ausdrücklich auf den „Schutz natürlicher Personen“ (und eben nicht auf den Schutz von Wettbewerbern) „bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.“
• Erwägungsgrund 9 nimmt Bezug auf die nach Einschätzung des Gesetzgebers vorhandenen „erheblichen Risiken für den Schutz natürlicher Personen, insbesondere im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets“.
• Erwägungsgrund 170 nennt als „Ziel dieser Verordnung“ „die Gewährleistung eines gleichwertigen Datenschutzniveaus für natürliche Personen.“
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