Europäischer Gerichtshof zum Wettbewerbsrecht: Gewerblichkeit bei Onlineverkäufen
Das Wettbewerbsrecht wird von europarechtlichen Vorschriften deutlich geprägt. Auf Anfrage unterstützt der Europäische Gerichtshof nationale Gerichte durch Vorabentscheidungen nach Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
So entschied der EuGH am 4. Oktober 2018 über die Voraussetzungen,
• unter denen die Gewerblichkeit bei Onlineverkäufen anzunehmen ist und
• nach denen ein Online-Händler dann auch die Anforderungen des Verbraucherschutzrechts erfüllen muss.
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Verwaltungsgericht Varna (Bulgarien): Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof
Hintergrund einer dem Europäischen Gerichtshof vom Verwaltungsgericht Varna vorgelegten Rechtsfrage zum europäischen Wettbewerbsrecht war folgender Rechtsfall:
Eine Verbraucher hatte über eine bulgarische Online-Plattform eine Armbanduhr gekauft. Da der Käufer mit den Eigenschaften der Uhr nicht einverstanden war, verlangte er die Rücknahme der Uhr gegen Erstattung des Kaufpreises.
Da die Verkäuferin dies verweigerte, beschwerte sich der Käufer bei der bulgarischen Kommission für Verbraucherschutz (KfV). Die Verbraucherschutz-Kommission stellte als Verkäuferin eine natürliche Person fest, die auf der Handelsplattform insgesamt acht Produktanzeigen veröffentlicht hatte.
Die Händlerin hatte es nach Auffassung der KfV unterlassen, verschiedene nach Verbraucherschutzrecht erforderliche Informationen in ihren Online-Anzeigen zu hinterlegen:
• Name, Anschrift und E-Mail-Adresse,
• Waren-Endpreis einschließlich Steuern und Abgaben,
• Liefer-, Leistungs- und Zahlungsbedingungen,
• Recht zum Widerruf abgeschlossener Fernabsatzverträge (sowie der Bedingungen und Verfahren bei der Ausübung eines Widerrufsrechts) sowie
• Hinweis auf die gesetzlichen Gewährleistungsrechte.
Wegen Unterlassung dieser Pflichtangaben verhängte die KfV Geldbußen gegen die Verkäuferin.
Gegen die Bußgelder klagte die Online-Händlerin wiederum vor dem Kreisgericht Varna. Da es sich bei der Online-Händlerin nach bulgarischem und europäischen Recht nicht um eine Gewerbetreibende handele, hob das Kreisgericht die Bußgeldbescheide der KfV auf.
Die Kommission für Verbraucherschutz legte jedoch vor dem Verwaltungsgericht Varna Berufung gegen das Urteil des Kreisgerichts ein.
Zur Klärung der entscheidenden Rechtsfrage, ob die Online-Verkäuferin nach europäischem Recht als Gewerbetreibende einzustufen sei, setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren aus, um dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen,
• ob ein Online-Händler,
• der auf einer Internetseite als Warenverkäufer registriert ist und
• auf dem Online-Portal acht Anzeigen für verschiedene Produkte geschaltet hat,
nach europäischem Recht als Gewerbetreibender anzusehen sei.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
Von grundlegender Bedeutung war für den vorliegenden Fall Artikel 2 der EU-Richtlinie 2005/29 (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), der unter anderem definiert:
• Artikel 2 Buchstabe b: „Gewerbetreibender“ ist „jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, …“.
• Artikel 2 Buchstabe d: „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern“ sind „… jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, …“.
Der EuGH entwickelte einen (ausdrücklich nicht abschließend gemeinten) Kriterien-Katalog, nach dem die Einordnung als „Gewerbetreibender“ von den nationalen Gerichten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen sei (EuGH-Urteil vom 4. Oktober 2018, Aktenzeichen C-105/17).
Der Gerichtshof nannte für die Einstufung als Gewerbetreibender insbesondere folgende Anhaltspunkte:
• planmäßiger Verkauf über eine Online-Plattform,
• Erwerbszweck,
• technische Fähigkeiten oder Informationen zu den angebotenen Produkten, durch die der Verkäufer gegenüber dem Verbraucher eine „vorteilhaftere“ Position erhält,
• enger Zusammenhang zwischen dem konkreten Verkauf und der wirtschaftlichen Verkäufer-Tätigkeit,
• Mehrwertsteuer-Pflicht des Verkäufers,
• Zahlung einer Erfolgsbeteiligung oder Vergütung an den Verkäufer,
• Erwerb von Waren zwecks Weiterverkauf,
• Gleichartigkeit oder Gleichwertigkeit der angebotenen Waren.
Das vorlegende Gericht (Verwaltungsgericht Varna) müsse nunmehr, so der EuGH, anhand dieser Kriterien entscheiden, ob die Online-Händlerin als Gewerbetreibende zu behandeln sei. Das Vorliegen lediglich von Gewinnerzielungsabsicht reiche, so der EuGH, für eine Einstufung als Gewerbetreibender jedenfalls nicht aus.
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