OLG Karlsruhe: Online-Händler darf Lastschrift-Abbuchung von Auslandskonto eines Kunden nicht verweigern
Das Oberlandesgericht Karlsruhe urteilte, dass ein Online-Händler die Lastschrift-Zahlung von einem im Ausland befindlichen Bankkonto nicht ablehnen darf (Urteil OLG Karlsruhe vom 20.04.2018, Aktenzeichen 4 U 120/17).
Bedeutsam ist die OLG-Entscheidung für den Verbraucherschutz. Das Oberlandesgericht erkannte eine Bestimmung der EU-Verordnung 260/212 (zum einheitlichen EU-Zahlungsverkehrsraum SEPA) als zugunsten von Verbrauchern wirkendes Schutzgesetz an.
Rechtlicher Hintergrund: SEPA – Einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum
Mit Wirkung vom 1. Februar 2014 haben sich 34 europäische Staaten im Einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum SEPA (Single Euro Payments Area) zusammengeschlossen, in dem bargeldlose Zahlungen (Lastschriften und Überweisungen) nunmehr einheitlich abgewickelt werden. Die bisherigen Unterschiede zwischen innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Zahlungsvorgängen sind mit Inkrafttreten des gemeinsamen europäischen Zahlungsraum weggefallen.
Rechtsgrundlage für den SEPA-Zahlungsverkehr ist die EU-Verordnung 260/2012 vom 14. März 2012. Im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsstreits ging es um die Frage, ob Artikel 9 Absatz 2 der EU-Verordnung als Schutzgesetz zugunsten von Verbrauchern wirkt.
Artikel 9 Absatz 2 der EU-Verordnung 260/2012 lautet:
„Ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, gibt nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, …“
Der Streitfall: Verbraucherzentrale verklagt Online-Händler
Der Kunde eines Online-Händlers wollte die von ihm bestellte Ware mittels Lastschrift bezahlen. Der Wohnsitz des Kunden befand sich in Deutschland, das Bankkonto hingegen in Luxemburg. Der Online-Händler schloss den Kunden aufgrund des nicht in Deutschland geführten Bankkontos vom Versandhandel aus.
Gegen diese Vorgehensweise des Internet-Versandhändlers (Beklagter) klagte der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (Verbraucherzentrale), der als Dachverband zahlreicher Verbraucherorganisationen fungiert.
In erster Instanz hatte das Landgericht Freiburg der Klage der Verbraucherzentrale stattgegeben (Urteil LG Freiburg im Breisgau vom 21.07.2017, Aktenzeichen 6 O 76/17). Gegen dieses Urteil legte der Internet-Versandhändler Berufung beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe
Das OLG Karlsruhe schloss sich der Rechtsauffassung des Landgerichts Karlsruhe an und wies die Berufungsklage des Online-Händlers ab.
Ein Onlinehändler, so das OLG, dürfe bei einem Kunden mit Wohnsitz in Deutschland die Abbuchung des Rechnungsbetrags von einem ausländischen Bankkonto nicht ablehnen. Artikel 9 Absatz 2 der EU-Verordnung 260/2012 bestimme eindeutig, dass ein Zahlungsempfänger nicht vorgeben darf, in welchem EU-Staat der Zahlungspflichtige das Konto zu führen hat, über das die Zahlung ausgeführt werden soll.
Artikel 9 Absatz 2 der SEPA-Verordnung sei, so stellte das OLG fest,
• ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Absatz 1 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) und zudem
• eine Marktverhaltensgeregel gemäß § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Verbraucherschutzgesetz
Nach dem Willen des Gesetzgebers sind als Verbraucherschutzgesetz generell alle diejenigen Gesetze einzuordnen, deren eigentlicher Zweck der Verbraucherschutz ist – selbst wenn ein solches Gesetz auch anderen Zwecken dient. Eine reine Verbraucherschutz-Nebenwirkung genüge allerdings nicht als Voraussetzung für ein ein Verbraucherschutzgesetz.
Als verbraucherschützend seien solche Rechtsnormen einzuordnen,
• die eine Verhaltenspflicht von Unternehmen gegenüber Verbrauchern begründen und
• deren Verletzung mit einer Beeinträchtigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern verbunden ist.
Der Sinn und Zweck der SEPA-Richtlinie bestehe darin, innerhalb des SEPA-Raums abgewickelte Zahlungsverkehrsvorgänge gerade auch für Verbraucher zu vereinfachen. Daher handele es sich bei Artikel 9 Absatz 2 SEPA-Verordnung nicht lediglich um eine sich zufällig zugunsten Verbrauchern auswirkende Bestimmung. Vielmehr liege eine unmittelbar auf den Verbraucherschutz zielende Regelung vor.
Bei einem Verstoß gegen Artikel 9 Absatz 2 SEPA-Verordnung seien auch Kollektivinteressen von Verbrauchern berührt, da alle Verbraucher mit deutschem Wohnsitz und luxemburgischem Bankkonto betroffen seien.
Marktverhaltensregel
Bei Artikel 9 Absatz 2 SEPA-Verordnung handele es sich zudem um eine Marktverhaltensregel (§ 3a UWG), die Marktverhalten im Interesse von Marktteilnehmern regeln solle.
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe hat der Online-Händler gegen das Schutzgesetz des Artikel 9 Absatz 2 SEPA-Verordnung verstoßen. Daher erfolgte seine Verurteilung durch das Landgericht zur Unterlassung der bisherigen Zahlungsverkehrspraxis nach Auffassung des Berufungsgerichts zurecht.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsfalls ließ das OLG Karlsruhe die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Daher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
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