EuGH-Urteil zum Verbraucherschutz – Begrenzung der Telefongebühren bei 0180er-Rufnummern

Das Verbraucherschutzrecht ist für Konsumenten ebenso wie für Unternehmen und Selbständige von größter Bedeutung. Rechtsnormen der Europäischen Union spielen im Verbraucherschutzrecht eine Schlüsselrolle. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte in Berlin vertreten Ihre Interessen in allen Verbraucherschutz-Fragen sorgfältig und engagiert. So auch, inwieweit die erhebung von Telefongebühren zulässig sind oder ob es Begrenzungen der Telefongebühren bei 0180er-Rufnummern gibt.

Kürzlich entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Zulässigkeit von Telefongebühren, die Verbraucher zu entrichten haben, wenn sie den Kundendienst eines Unternehmens kontaktieren.

Die vorausgehende Rechtsstreitigkeit vor dem Landgericht Stuttgart

Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ging auf eine Klage der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main („Wettbewerbszentrale“) gegen das Vertriebsunternehmen comtech GmbH vor dem Landgericht Stuttgart zurück.

Auf der unternehmenseigenen Webseite hatte comtech eine 0180-Rufnummer angegeben. Diese Rufnummer stand Kunden für Nachfragen zu abgeschlossenen Kaufverträgen, Informationswünsche oder Beschwerden zur Verfügung. Die den Kunden in Rechnung gestellten Telefongebühren lagen, wie bei derartigen „geografisch gebundenen“ 0180-Rufnummern üblich, über denjenigen Kosten, die bei Telefonaten über „geografisch gebundene“ Festnetznummern oder über Mobilfunknummern entstehen.

Die Wettbewerbszentrale hielt die Bereitstellung von Service-Nummern zu Kosten oberhalb des Tarifs für gewöhnliche Telefonate für unlauter. Gemäß § 312a Absatz 5 BGB sei die Vereinbarung zur Zahlung des erhöhten Telefon-Entgelts unwirksam. Daher klagte die Wettbewerbszentrale gegen comtech vor dem Landgericht Stuttgart auf Unterlassung.

Das beklagte Elektronik-Unternehmen vertrat hingegen die Auffassung, dass Artikel 21 der EU-Richtlinie 2011/83 und § 312a Absatz 5 BGB keineswegs ein Verbot eines über den Gebühren für gewöhnliche Telefonate liegenden Tarifs beinhalteten. Denn Artikel 21 der EU-Richtlinie bestimmt lediglich, dass Verbraucher nicht dazu verpflichtet sind, bei einer telefonischen Kontaktaufnahme mit einem Unternehmen über eine von diesem bereitgestellte Telefonleitung „mehr als den Grundtarif zu zahlen“. Eine nähere Bestimmung des Begriffs „Grundtarif“ erfolgt durch die EU-Richtlinie allerdings nicht.

Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Stuttgart

Nationale Gerichte innerhalb der Europäischen Union können bei Fragen zur Auslegung europäischen Rechts den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersuchen (Artikel 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV). Die vom EuGH getroffenen Urteile sind für alle Gerichte innerhalb der EU rechtlich bindend.

Das Landgericht Stuttgart hatte Unklarheiten bei der Auslegung von Artikel 21 der EU-Richtlinie 2011/83 über die Verbraucherrechte in Verbindung mit § 312a Absatz 5 BGB erkannt. Der in § 312a Absatz 5 BGB enthaltene Begriff „Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes“ bedürfe einer europarechtlichen Auslegung. Auch sei nach erfolgter europaweiter Harmonisierung der Tarife von Service-Hotlines durch Artikel 21 der EU-Richtlinie 2011/83 eine Auslegung dieser Norm erforderlich.

Der deutsche Gesetzgeber habe unterbinden wollen, dass Unternehmen aus geografisch nicht gebundenen Service-Nummern Gewinne erzielen. Dies schließe allerdings, so das Landgericht, nicht aus, dass Verbraucher bei Nutzung einer 0180-Rufnummer höhere Gebühren als bei gewöhnlichen Anrufen zahlen müssen. Die Einnahmen dürfen jedoch nicht die Kosten für die Bereitstellung einer Hotline übersteigen.

Für das Landgericht Stuttgart war jedoch fraglich, ob der Begriff „Grundtarif“ entsprechend dem Wortlaut und der Zielsetzung von Artikel 21 der EU-Richtlinie) nicht doch enger ausgelegt werden müsse. Schließlich soll möglichst ein hohes Verbraucher-Schutzniveau gewährleistet werden. In diesem Fall käme es aber rechtlich nicht nur auf das Fehlen eines Unternehmer-Gewinns aus einer Telefon-Hotline an, da die Telefonkosten dann durchaus auch oberhalb derjenigen Tarife liegen könnten, die für „gewöhnliche Telefonate“ berechnet werden.

Wegen dieser Auslegungsfragen setzte das Landgericht das bei ihm anhängige Verfahren aus und stellte zunächst ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.

Die Rechtsfragen des Landgerichts lauteten,
• ob Verbrauchern bei Kontakten mit Unternehmen (über vom Unternehmen genau zu diesem Zweck eingerichtete Telefonleitungen) höhere Kosten entstehen dürfen als bei Telefonaten über gewöhnliche Festnetz- oder Mobilfunk-Rufnummern und
• ob Artikel 21 Absatz 1 der EU-Richtlinie 2011/83 mit der Regelung des § 312a BGB vereinbar sei, der Vereinbarungen für unwirksam erkläre, falls der Hotline-Tarif oberhalb des „Entgelts für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes“ liege.

Letztlich ging es also um die Frage, ob eine Begrenzung der Telefongebühren bei 0180er-Rufnummern rechtmäßig und erforderlich sei.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Der in Artikel 21 der EU-Richtlinie verwendete Begriff „Grundtarif“ muss nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs nach dem „üblichen Sinn im gewöhnlichen Sprachgebrauch“ und nach dem Sachzusammenhang bestimmt werden. Der Europäische Gerichtshof kommt „mangels gegenteiliger Anhaltspunkte“ zu dem Ergebnis, dass der „Grundtarif“ im Sinne von Artikel 21 der EU-Verordnung den Standardkosten gewöhnlicher Telefon-Verbindungen entspricht. Er darf keine weiteren Zusatzkosten für Verbraucher enthalten.

Diese Bewertung entspreche nicht zuletzt dem gesetzgeberischen Ziel eines hohen Verbraucherschutzes. Würde nämlich der Begriff „Grundtarif“ so ausgelegt, dass es Unternehmen erlaubt sei, über dem gewöhnlichen Tarif liegende Telefongebühren abzurechnen, so könnten Verbraucher davon abgehalten werden, Informationen zu bereits abgeschlossenen Verträgen über eine Service-Nummer einzuholen oder Gewährleistungs- und Widerrufsrechte geltend zu machen.

Deshalb, so urteilte der EuGH, dürfen Unternehmen Verbrauchern nur Telefonkosten auferlegen, die den Tarif eines gewöhnlichen Telefonats nicht übersteigen. Hierüber erfolgt eine Begrenzung der Telefongebühren bei 0180er-Rufnummern. Unerheblich sei es, ob das Unternehmen mit einer Kundendienst-Rufnummer einen Gewinn erzielt (EuGH-Urteil vom 02. März 2017, Aktenzeichen C‑568/15).

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