Online-Kauf – Treu und Glauben: kein Lieferanspruch trotz Bestellbestätigung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte über die Rechtsfrage zu entscheiden, ob der Käufer von in einem Online-Shop angebotener Ware auch dann einen Lieferanspruch gegen den Online-Händler hat, wenn die Ware im Internet zum Bestellzeitpunkt mit einem offensichtlich zu niedrigen Preis ausgezeichnet war (Urteil vom 19. Mai 2016, Aktenzeichen I-16 U 72/15).
„Günstige Kaufgelegenheit“: zehn Generatoren deutlich unter Marktpreis bestellt
Die Beklagte betrieb einen Online-Shop, in dem Anfang Februar 2014 benzingetriebene Generatoren zu einem Stückpreis von 24 Euro angeboten wurden. Die im Internet ersichtlichen Preise für derartige Generatoren lagen bei 3.300 bis 4.500 Euro.
Die Klägerin, ein Dämmtechnik-Unternehmen orderte am 1. Februar 2014 über das Internet zehn dieser Generatoren zu je 24 Euro. Zwar konnte das Unternehmen die Generatoren nicht im eigenen Betrieb verwenden. Der Geschäftsführer hatte jedoch die fehlerhaft niedrige Preisauszeichnung erkannt und beabsichtigte daher, durch günstigen Ankauf und höheren Weiterverkauf der Generatoren einen Gewinn zu erzielen.
Über den PC, an dem die Eingabe des Online-Kaufs erfolgte, wurde (in zeitlichem Zusammenhang mit der Kauf-Order) mittels Google-Suchsystem der Marktpreis für Generatoren ermittelt. Zudem bestellte ein Bekannter der Klägerin am 2. Februar 2014 über denselben Computer ebenfalls zehn Generatoren zu einem Preis von jeweils 24 Euro.
Bereits am 01. Februar 2014 erhielt die Klägerin von der Beklagten eine automatisch generierte E-Mail-Auftragsbestätigung, die einen Gesamtrechnungswert (inklusive Mehrwertsteuer) von 285 Euro auswies. Die E-Mail enthielt außerdem den Hinweis: „Vielen Dank für Ihren Auftrag. Wir werden Ihre Bestellung umgehend bearbeiten.“
Die Beklagte teilte der Klägerin jedoch am Folgetag (02. Februar 2014) mit, dass sie die Bestellung „aufgrund einer Systemstörung“ nicht ausführen könne und sie den Auftrag daher storniere.
Daraufhin forderte die Klägerin nochmals die Geräte-Lieferung gegen Zahlung von 285 Euro, zuletzt unter Fristsetzung und Klageerhebung. Die Beklagte beantragte Klage-Abweisung. Nachdem das angerufene Landgericht Wuppertal den Anspruch abgewiesen hatte, legte die Klägerin Berufung beim OLG Düsseldorf ein.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf
Das Oberlandesgericht entschied, dass zwar durchaus ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Jedoch seien die Ansprüche der Klägerin aus diesem Vertrag nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht durchsetzbar.
Das Zustandekommen eines Kaufvertrages
Ein Kaufvertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen von Käufer und Verkäufer, nämlich durch Angebot und Annahme zustande. Das Gericht wertete die automatische Bestätigungsmail der Beklagten als Annahme der Online-Bestellung (Antrag) der Klägerin.
Der Wortlaut der Bestätigungsmail spreche jedenfalls dafür, dass es sich nicht nur um die nach § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB geforderte Bestellbestätigung (reine „Wissenserklärung“) handele, sondern dass auch eine rechtswirksame Willenserklärung der Beklagten vorliege.
Kein Anfechtungsgrund für die Beklagte
Zwar habe die Beklagte mit dem Wunsch nach einem „Storno“ ihren Willen zur Anfechtung des Vertrags (§ 142 BGB) ausreichend deutlich gemacht. Doch fehlte es laut Oberlandesgericht Düsseldorf an einem Anfechtungsgrund.
Ein die Beklagte zur Anfechtung berechtigender Irrtum nach § 119 BGB liege aufgrund der extremen Falschauszeichnung nahe. Doch sei ein Inhaltsirrtum nicht gegeben, da die Beklagte ihren Erklärungszeichen keinen unzutreffenden objektiven Sinn beigemessen habe. Ein Erklärungsirrtum könne nicht angenommen werden, da die Beklagte hierzu vor Gericht keine ausreichend konkreten Ausführungen gemacht habe. Ein möglicher Berechnungsirrtum (Kalkulationsirrtum) sei dann als reiner Motivirrtum unbeachtlich, wenn die dem Preis zugrunde liegenden Kalkulationsgrundlagen für den Käufer nicht erkennbar sind.
Kein Schikaneverbot
Der Klägerin, so das OLG, könne die Ausübung ihrer Rechte aus dem Kaufvertrag auch nicht gemäß § 226 BGB (Schikaneverbot) untersagt werden. Denn Schikane setze voraus, dass eine Rechtsausübung ausschließlich zur Schädigung des Anspruchsgegners erfolgt. Der Klägerin sei es jedoch wesentlich um die Erlangung eines eigenen Vorteils gegangen.
Unzulässige Rechtsausübung nach Treu und Glauben
Im Ergebnis scheitert der Anspruch der Klägerin jedoch am Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu erfüllenden Voraussetzungen lagen nach Auffassung des Düsseldorfer Gerichts vor:
• Der Geschäftsführer der Klägerin hatte erkannt, dass im Online-Portal der Beklagten ein unverhältnismäßig niedriger Preis angezeigt wurde.
• Für die Klägerin sei auch erkennbar gewesen, dass ein Festhalten der Beklagten am Kaufvertrag unzumutbar war, da der angezeigte Kaufpreis nur bei etwa 1 Prozent des Marktpreises der Generatoren gelegen habe.
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