Wettbewerbsrecht: Der Europäische Gerichtshof urteilt zu den Informationspflichten bei Online- und Fernsehwerbung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legte in einem Vorabentscheidungsverfahren einige wettbewerbsrechtliche Vorschriften der EU-Richtlinie 2005/29/EG „über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern“ aus (Urteil des EuGH vom 26. Oktober 2016, Aktenzeichen C‑611/14). Im Kern geht es darum, welche Informationspflichten bei Online- und Fernsehwerbung der Werbende zu erfüllen hat. Ein dänisches Gericht hatte beim EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen eingereicht, um verschiedene Rechtsfragen klären zu lassen.
Strafverfahren in Dänemark – eine Werbekampagne des Produktanbieters Canal Digital
In dem dänischen Strafprozess, das dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zugrunde lag, ging es um die Lauterkeit bestimmter Vermarktungspraktiken für ein Satelliten-TV-Abonnement von Canal Digital Danmark A/S. Im Rahmen einer im Jahr 2009 durchgeführten Werbekampagne für TV-Programm-Abonnements hatte Canal Digital zwei als Fernseh- und Internet-Werbung platzierte Werbespots sowie Internet-Bannerwerbung gezeigt, die nach Auffassung der Anklagebehörde gegen das dänische Marketinggesetz verstießen.
Der Preis für ein TV-Abonnement bei Canal Digital bestand aus den zwei Elementen
• Monatsgebühr (99 bzw. 149 dänische Kronen, umgerechnet 13,30 Euro bzw. 20 Euro) und
• Halbjahresgebühr für einen „Kartendienst“ (389 dänische Kronen, umgerechnet 52,30 Euro).
In den Werbespots wurde auf die Halbjahresgebühr nur am unteren Bildrand hingewiesen, nicht aber im Filmkommentar. Teilweise erfolgte ein Hinweis auf den Gesamtpreis, den ein Abonnent im ersten Vertragsjahr (Mindestlaufzeit) zu zahlen hatte – allerdings farblich weniger auffällig und in kleinerer Schriftgröße.
Die Werbebanner enthielten keine Hinweise auf die Halbjahresgebühr. Allerdings war es Webseiten-Benutzern möglich, durch einen Klick auf das Banner zusätzliche Preisinformationen (einschließlich „Kartendienst“) zu erhalten.
Auf der Startseite der Online-Präsenz von Canal Digital wurde das preiswerteste Programmpaket angezeigt (99 dänische Kronen) – darunter in kleinerer Schrift der Gesamtpreis für die Mindest-Vertragslaufzeit. Weiter unten enthielt die Startseite in kleiner Schrift Hinweise zum Gesamtpreis inklusive „Kartendienst“.
Dänisches Strafverfahren – Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH
Die dänische Anklagebehörde vertrat die Auffassung, Canal Digital habe nicht deutlich genug auf die Kosten des “Kartendienstes“ hingewiesen. In sechs Fällen wurde Canal Digital daher vor dem ostdänischen Gericht Glostrup wegen eines Verstoßes gegen das nationale Marketinggesetz angeklagt.
Die Auslegung der EU-Wettbewerbsrichtlinie durch den EuGH
Der EuGH antwortete auf die entsprechenden Rechtsfragen des dänischen Gerichts, dass …
• … eine Geschäftspraxis auch dann nach den Kriterien der EU-Richtlinie 2005/29/EG auf eine mögliche Irreführung des Verbrauchers überprüft werden müsse, wenn der Wortlaut des nationalen Gesetzes dies nicht ausdrücklich vorsehe. Dies sei geboten, da die EU-Richtlinie die reibungslose Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts und ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellen solle. Die Regelungen dieser Richtlinie seien durch nationale Bestimmungen nicht veränderbar. Das nationale Wettbewerbsrecht müsse stets „unionsrechtskonform“ ausgelegt werden.
• … irreführende Handlungen oder Unterlassungen eines Produktanbieters (Artikel 6 und 7 der Richtlinie) anzunehmen seien, wenn eine Geschäftspraxis geeignet ist, einen „Durchschnittsverbraucher“ zu täuschen, so dass dieser zu einer Geschäftsentscheidung veranlasst wird;
• … bei einer Preis-Aufteilung in mehrere Bestandteile aufgrund der Umstände des Einzelfalls vom nationalen Gericht zu beurteilen sei, ob die Preisdarstellung vom Durchschnittsverbraucher falsch wahrgenommen werden könne;
• … bei Einsatz verschiedener Medien für ein Werbeangebot (z. B. TV oder Internet) die Anforderungen an die Form der Informationsvermittlung auch von der Art des eingesetzten Werbemediums abhingen. Werde auf eine Webseite des Produktanbieters weitergeleitet, um dem Verbraucher Informationen zugänglich zu machen, so seien diese Maßnahmen des Gewerbetreibenden bei der Prüfung einer eventuellen „Vorenthaltung von Informationen“ zu berücksichtigen.
Der EuGH verweist ferner auf Artikel 7 Absatz 4 EU-Richtlinie, der Basisinformationen auflistet, die in einer „Aufforderung zum Kauf“ zwingend enthalten sein müssen. Die Aufzählung „wesentlicher Informationen“ des Artikels 7 Absatz 4 habe abschließenden Charakter.
Der Europäische Gerichtshof nahm nur eine Rechtsauslegung vor. Die Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhaltes anhand der vom EuGH entwickelten Leitlinien sei, so der Gerichtshof, Aufgabe des nationalen Gerichts.
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