Handelsgeschäfte: Bundesgerichtshof zu den Untersuchungsobliegenheiten des Käufers von Handelsware

Verkauft ein Unternehmer an einen anderen Unternehmer Handelswaren, so gelten für den Käufer nach Warenerhalt Untersuchungs- und Anzeigeobliegenheiten. Unterlässt der Käufer die rechtzeitige Mängelanzeige gegenüber dem Verkäufer, so gilt eine Warenlieferung als genehmigt.

Der Bundesgerichtshof entschied kürzlich über den rechtlich zulässigen Umfang von Untersuchungsobliegenheiten, insbesondere bei Regelung von Obliegenheiten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

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    Der Sachverhalt: Insolvenzverwalter klagt gegen einen Lieferanten auf Schadenersatz

    Die Klägerin in dem zu entscheidenden Falls war Betreiberin eines Futtermittelwerks. Sie wurde durch den Insolvenzverwalter vertreten. Die Beklagte hatte der Klägerin (vor Eintritt der Insolvenz) Futterfette geliefert. Diese mischte die Klägerin in den von ihr hergestellten Futtermitteln bei.

    Nach Medienberichten über Dioxin-Vergiftungen in Futtermitteln ließ die Klägerin Proben der ihr gelieferten Futterfette untersuchen. Dabei wurden Dioxin-Werte festgestellt, die den zulässigen Grenzwert teilweise 23-fach überschritten.

    Die Klägerin informierte die Lebensmittelbehörden über diese Laborbefunde. Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wies daraufhin die Klägerin an,
    • eine Aufstellung der Kunden vorzulegen, die mit Futtermitteln beliefert worden waren,
    • die Verarbeitung der fraglichen Futterfette zu beenden,
    • eine Untersuchung der Futterfette vornehmen zu lassen sowie
    • die Futterfett-Restbestände anschließend zu entsorgen.

    Einige Monate später meldete die Klägerin Insolvenz an.

    § 15 der ABG des Futterfett-Lieferanten bestimmte unter anderem, dass eine Warenprobe zwecks Überprüfung auf nicht „sensorisch“ feststellbare Mängel innerhalb von zwei Tagen nach erfolgter Warenlieferung durch den Warenempfänger an einen unabhängigen Sachverständigen zu übermitteln sei. Das Untersuchungsergebnis müsse der Warenkäufer spätestens einen Geschäftstag nach Erhalt an den Verkäufer weiterleiten.

    Diese AGB-Vorschrift hatte der Käufer im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Die Untersuchung erfolgte erst im Nachgang zu Medienberichten und auf Anweisung der Lebensmittelbehörden.

    Die Klägerin nahm die Beklagte gleichwohl wegen mangelhafter Produktlieferung auf Schadenersatz in Anspruch. Im Rahmen einer Gegenklage verlangte die Beklagte von der Klägerin die Zahlung des noch ausstehenden Restkaufpreises.

    Erstinstanzlich gab das Landgericht Itzehoe der Klage statt. Die Gegenklage wurde abgewiesen (Urteil LG Itzehoe vom 10.12.2015, Aktenzeichen 10 O 149/14). Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Berufungsgericht) änderte lediglich die Höhe des der Klägerin zugesprochenen Schadenersatzes. Es blieb bei der Ablehnung der Widerklage (Urteil OLG Schleswig vom 20.09.2016, Aktenzeichen 11 U 6/16).

    Daraufhin wurde der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz angerufen.

    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

    Der Bundesgerichtshof gab der Klage des insolventen Futtermittelwerks statt. Die Gegenklage wies der BGH zurück (BGH-Urteil vom 06.12.2017, Aktenzeichen VIII ZR 246/16).

    Zunächst stellte der Bundesgerichtshof fest, dass sich die von § 377 Absatz 1 HGB geforderte Warenprüfung durch den Käufer nicht auf „alle irgendwie in Betracht kommenden Mängel“ beziehe. Das Gesetz fordere keine „Rundum-Untersuchung“.

    Der Umfang der Untersuchungsobliegenheiten orientiere sich vielmehr an den „im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen“ (§ 346 HGB). Von existierenden Handelsbräuchen könne auf einen „ausreichend einheitlichen Konsens“ der an der entsprechenden Verkehrsübung teilnehmenden Kreise geschlossen werden – in personeller, räumlicher und zeitlicher Hinsicht.

    Untersuchungsobliegenheit: zulässige ABG-Regelungen

    Fraglich war, ob die Klägerin ihre Ansprüche wegen Verletzung der in den Verkäufer-AGB aufgeführten Untersuchungsobliegenheiten verwirkt hatte. Dies wäre nur bei Unwirksamkeit der Lieferanten-AGB nicht der Fall.

    Grundsätzlich ist es laut BGH rechtlich zulässig, wenn der Verkäufer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kriterien für Art und Umfang der erforderlichen Produktuntersuchung durch den Käufer konkretisiert oder generalisiert.
    • Allerdings müssen solche AGB-Vorschriften, so der BGH, entweder von den Umständen des Einzelfalls veranlasst sein oder mit einer „in diese Richtung laufenden Verkehrsübung“ übereinstimmen.
    • Zudem sei es erforderlich, dass die ABG die Interessen von Käufer und Verkäufer hinreichend berücksichtigen.

    Gemäß § 307 BGB sind AGB „unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.“

    a) Eine unangemessene Benachteiligung des Käufers liegt nach Auffassung des BGH jedenfalls dann vor, wenn eine ABG-Klausel
    • für jeden Einzelfall eine vollständige Warenuntersuchung auf alle nicht sofort feststellbaren Mängel fordere,
    • ohne dabei nach Anlässen und Zumutbarkeit zu differenzieren und ohne einen Spielraum für Abweichungen zu lassen,
    • obwohl eine derartige Produktuntersuchung „vernünftigerweise“ nicht angemessen oder dem Käufer „billigerweise“ nicht zumutbar ist.

    b) Die Erfüllung einer Untersuchungsobliegenheit bezweckt laut Bundesgerichtshof, bei Produktmängeln eine Mängelrüge zu ermöglichen. Die Produktuntersuchung ziele auf die Erkennung von Mängeln und darauf aufbauend auf die konkrete Formulierung einer Mängelrüge.

    Mit diesen Rechtsgrundsätzen waren nach BGH-Auffassung die vom Verkäufer verwendeten AGB nicht zu vereinbaren, die den Käufer zur Warenuntersuchung durch neutrale Sachverständige verpflichteten. Denn diese Vorschrift zwinge den Abnehmer dazu, anlässlich jeder einzelnen Warenlieferung unter erheblichem organisatorischen und kostenmäßigen Aufwand Stichproben durch unabhängige Sachverständige prüfen zu lassen, um Käufer-Rechte zu wahren. Dies aber sei unverhältnismäßig.

    Da die fraglichen AGB-Klauseln gemäß § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin unwirksam seien, könne der Kläger einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Futterfett-Lieferanten geltend machen. Die Beklagte hafte verschuldensunabhängig für den Schaden, der durch die Lieferung mangelhafter Futterfette entstanden sei.

    Rechtsanwältin Züwerink-Roek: Expertise und Engagement im Handelsrecht und AGB-Recht

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