Internetrecht und Familienrecht – What`s App: Gefährdung des Kindeswohls?
Die rasante technische Entwicklung des Internets wirft vielfältige Rechtsfragen auf. Ein aktueller Beschluss des Amtsgerichts Bad Hersfeld verdeutlicht die Komplexität des Internetrechts.
Internet und Kindeswohl – der zugrunde liegende Sachverhalt
Der zu besprechende Rechtsfall zeigt, wie eng das Internetrecht mit anderen Rechtsgebieten verknüpft ist. Dem Beschluss des Amtsgericht Bad Hersfeld ging ein familienrechtlicher Antrag einer geschiedenen Kindesmutter voraus.
Die Mutter eines Zehnjährigen wollte vor Gericht durchsetzen, dass sich der Vater während der vereinbarten Umgangszeiten intensiver um sein Kind kümmert. In diesem Zusammenhang erwähnte der Sohn gegenüber dem Gericht, dass ihn der Vater sogar bei WhatsApp blockiert habe. Über diesen Messenger-Dienst konnte keine Kommunikation mehr stattfinden.
Das Gericht nahm den Hinweis zum Anlass, sich grundsätzlich mit der Nutzung des Internets durch Minderjährige zu befassen. Insbesondere erörterte das Gericht die Frage, inwieweit das Kindeswohl bei Nutzung von WhatsApp gefährdet ist. Auch sollte geklärt werden, welche Anforderungen sich daraus für die Sorgepflicht der Erziehungsberechtigten ergeben.
Die rechtliche Abwägungen des Amtsgerichts Bad Hersfeld
Das Gericht befasste sich zunächst mit Art und Umfang der Datensammlung und Datenverwertung durch WhatsApp. Bei einer Zustimmung des Nutzers zu den Nutzungsbedingungen (einschließlich Datenschutzrichtlinie) von WhatsApp erfolgt die Übermittlung sämtlicher Telefonnummern, die sich im Adressbuch des Users befinden. Dies erfolgt unabhängig davon, ob die Adress-Inhaber ebenfalls den Messenger-Dienst nutzen.
Der Minderjährige verfolge mit der WhatsApp-Nutzung keine geschäftlichen Zwecke. Deshalb war das Gericht der Meinung, es liege jedenfalls im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen § 28 des Bundesdatenschutzgesetzes nicht vor.
Allerdings verletze ein WhatsApp-Nutzer (bei Nichteinholung von Zustimmungserklärungen der Adresskontakt-Personen) das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Recht auf informattionelle Selbstbestimmung wurde vom Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelt (Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes; Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983, Aktenzeichen 1 BvR 209). Durch die Bekanntgabe persönlicher Telefonnummern bestehe nämlich die Möglichkeit, in die Privatsphäre der Rufnummern-Inhaber einzudringen. Wenn der Betroffene keine Zustimmung zur Kontaktdaten-Weitergabe erteilt habe, so liegt nach Auffassung des Amtsgerichts Bad Hersfeld eine unerlaubte Handlung gemäß § 823 Absatz 1 BGB vor. diese verpflichtet zu Schadenersatz. Damit bestehe die Gefahr mit Kosten verbundener Abmahnungen und Unterlassungsklagen. (Dies gilt nach Einschätzung des Amtsgerichts auch für den im vorliegenden Fall betroffenen Minderjährigen. Der Minderjährige verfüge über die von § 828 Absatz 3 BGB geforderte Einsichtsfähigkeit.)
Diese aus der WhatsApp-Nutzung resultierenden möglichen Belastungen sind nach Auffassung des Amtsgerichts Bad Hersfeld zur Gefährdung des Kindeswohls geeignet.
Die Auflagen des Gerichts gegenüber der Kindesmutter
Das Amtsgericht erließ in seinem familienrechtlichen Beschluss unter anderem folgende Auflagen gegenüber der Kindesmutter (gemäß § 1666 BGB):
• Die Kindesmutter wird verpflichtet, die Smartphone-Nutzung des Minderjährigen bis zu dessen Volljährigkeit zu beaufsichtigen, um der Abmahnungsgefahr entgegenzuwirken.
• Die erforderlichen, zum Beschluss-Zeitpunkt noch fehlenden Technik-Kenntnisse müsse sich die Mutter aneignen.
• Außerdem wurde der Kindesmutter aufgegeben, von allen WhatsApp-Kontaktpersonen des Kindes schriftliche Zustimmungen zur Datenweiterleitung einzuholen. Diese Zustimmungserklärungen mussten dem Gericht vorgelegt werden.
• Die Mutter müsse ferner einmal monatlich das Adressbuch des Kindes überprüfen. Damit sollte sichergestellt werden, ob eventuell hinzugekommene Kontakte ebenfalls um schriftliche Zustimmung zu ersuchen sind.
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