Rechtmäßig erworbene Software: Verstößt ein ungenehmigter Weiterverkauf gegen das Urheberrecht?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasste sich auf Antrag eines nationalen Gerichts mit der Frage, ob der Weiterverkauf von Software ohne Genehmigung des Urhebers gegen das Urheberrecht verstößt (Urteil vom 12. Oktober 2016, Aktenzeichen C-166/15).
Strafgericht Lettland: Ersuchen an den EuGH um eine Auslegung von EU-Recht
In einem Strafverfahren in Lettland wurde zwei Angeklagten zur Last gelegt, unter Bildung einer kriminellen Vereinigung eine fremde Marke vorsätzlich widerrechtlich genutzt zu haben. Zwischen 2001 und 2004 sei dem Urheberrechtsinhaber Microsoft durch den unrechtmäßigen Verkauf von mehr als 3.000 Software-Programmen über ein Online-Portal ein Schaden von umgerechnet etwa 265.000 Euro entstanden.
Das lettische Berufungsgericht setzte das Strafverfahren jedoch auf Antrag der Angeklagten zunächst aus. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens wurden dem EuGH Rechtsfragen zur Auslegung europäischen Gemeinschaftsrechts gestellt.
Das lettische Gericht ersuchte den EuGH insbesondere um Beantwortung der Frage, ob ein rechtmäßiger Erwerber eines Computer-Programms berechtigt sei, eine Sicherungskopie der Software zu verkaufen.
EU-Richtlinie zum Rechtsschutz von Computer-Programmen
Das Vorabentscheidungsersuchen bezog sich auf Bestimmungen der EU-Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen.
Artikel 4 der genannten EU-Richtlinie regelt die Ausschließlichkeitsrechte, die dem Inhaber eines Urheberrechts zustehen. Das Urheberrecht umfasst hiernach u. a. die Vervielfältigung von Software. Artikel 4 bestimmt aber auch, dass sich das Urheberrecht mit dem Erstverkauf einer Programm-Kopie „erschöpft“.
Artikel 5 der Richtlinie enthält die Regelung, dass dem rechtmäßigen Käufer einer Software nicht untersagt werden darf, eine Sicherungskopie zu erstellen, soweit dies für die Programmnutzung erforderlich ist.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
Im Ergebnis hält der Europäische Gerichtshof die Veräußerung einer Sicherungskopie durch den rechtmäßigen Erwerber einer Software ohne Genehmigung des Inhabers des Urheberrechts für rechtswidrig.
Mit dem Verkauf einer Original-Kopie eines Computerprogramms erschöpfe sich innerhalb der EU zwar das Verbreitungsrecht des Inhabers des Urheberrechts. Der Urheberrechtsinhaber könne daher einem Weiterverkauf eines gebrauchten Software-Programms nicht widersprechen. Anders lautende Bestimmungen im Kaufvertrag (zwischen Urheberrechtsinhaber und Software-Käufer) seien unwirksam.
Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts setze allerdings voraus, dass der Weiterverkauf nicht das Recht auf Vervielfältigung verletze, welches dem Urheber zustehe.
Die Anfertigung einer Sicherungskopie sei gemäß EU-Richtlinie nur unter zwei Bedingungen erlaubt:
• Die Sicherungskopie dürfe nur von derjenigen Person angefertigt werden, die zur Programm-Nutzung berechtigt sei.
• Die Erstellung der Kopie müsse für die Programm-Nutzung erforderlich sein.
Da diese Bestimmung nach ständiger EuGH-Rechtsprechung eng ausgelegt werden müsse, dürfe die Sicherungskopie nur durch den Käufer des Original-Programms genutzt werden. Deshalb sei dem Inhaber einer Programm-Lizenz der Weiterverkauf einer Sicherungskopie auch dann nicht gestattet, wenn der originale Datenträger zerstört worden oder verloren gegangen sei.
Der Ersterwerber der Software-Lizenz ist deshalb nach Auffassung des EuGH zur Veräußerung seiner Software-Lizenz und der von ihm gekauften Software-Kopie berechtigt. Ohne Genehmigung des Inhabers des Urheberrechts darf er jedoch nicht eine Sicherungskopie veräußern.
Europäisches Gemeinschaftsrecht: Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof
Durch ein Vorabentscheidungsersuchen können Gerichte eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union Fragen an den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung von EU-Recht stellen. Der EuGH entscheidet in einem solchen Verfahren nicht über die vor dem nationalen Gericht anhängige Rechtssache, sondern nur über die vorgelegte Rechtsfrage. Die vom EuGH dann vorgenommene Rechtsauslegung ist für alle Gerichte innerhalb der Europäischen Union verbindlich.
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